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Toleranzen

Produkt: Rhino
Zusammenfassung: Ein Überblick über Toleranzen in Rhino und wie man am Besten mit ihnen arbeitet.

Toleranzen, Toleranzen, Toleranzen...

Was bedeuten all diese Zahlen? Wie soll ich sie in Rhino einstellen?

Das Thema “Dateitoleranzen” wird immer wieder von neuen Benutzern angesprochen. Bei vielen Modellierungsprogrammen können Sie Ihre Toleranzen nicht selbst definieren. Sie werden für Sie definiert, ob Sie wollen oder nicht. Mit Rhino haben Sie den Vorteil, dass Sie Ihre eigenen Toleranzen Ihren Bedürfnissen entsprechend definieren können. Man muss aber über etwas Erfahrung und Wissen verfügen, um sie richtig einstellen zu können.

Video über Toleranz und Präzision in Rhino.

1: Was sind Toleranzen?

Toleranzen geben die gewünschte Präzision bzw. den Spielraum für Fehler wieder, den Sie in Ihrem Projekt akzeptieren können. Nichts ist 100% genau oder perfekt. Verschiedene Projekte und Objektgrößen haben unterschiedliche Genauigkeitsbedürfnisse. Sie würden wahrscheinlich kein Gebäude mit dem gleichen Präzisionsniveau wie eine Schweizer Uhr erzeugen, und umgekehrt würde es ebenso wenig Sinn ergeben (d.h. es wäre unmöglich).

Die technischen Methoden zur Bestimmung von Toleranzen sind spezifisch und komplex. Dies werden wir hier nicht im Detail behandeln. Wir möchten lediglich einen Leitfaden zur Einstellung Ihrer Modellierungsprojekte in Rhino bereitstellen. Abhängig von der verwendeten Vorlagen stellt Rhino die absoluten Toleranzen standardmäßig auf 0,01 oder 0,001 Einheiten ein (unabhängig von der tatsächlich verwendeten Einheit wie Zoll, mm, Meter, etc.). Sie können auch eigene Vorlagen mit anderen Toleranzen erstellen. Aber was bedeutet denn nun absolute Toleranz eigentlich?

2: Absolute Toleranzeinstellungen in Rhino

Im Rhino-Kontext bestimmt die Einstellung der absoluten Toleranz den höchstzulässigen Abstand, den zwei Objekte oder Elemente haben können, während sie immer noch nahe genug beieinander liegen. Nahe genug bedeutet, dass zwei Oberflächen oder Kurven verbunden werden können oder dass eine Näherungsoperation wie das Aufziehen eine Oberfläche erzeugt, deren Kanten den Leitkurven innerhalb der bestimmten absoluten Toleranz folgen.

Anmerkung: Bei Verbindungen gilt die doppelte absolute Toleranz, weswegen man immer behutsam vorgehen sollte.

Was ist eine Näherungsoperation?

Manche Objekte können mathematisch so genau definiert werden, wie es die Fließkommagenauigkeit Ihres Computers zulässt. Extrem winzige Toleranzen können im Allgemeinen vernachlässigt werden. Manche Befehle beruhen jedoch auf einer näherungsweisen Berechnung, damit Kurven oder Oberflächen mit anderen Kurven oder Oberflächen übereinstimmen oder zusammenpassen. Je exakter Ihre Lösung sein soll, desto länger dauert die Berechnung, bis hin zu einer vollständigen Systemblockierung Ihres PCs. Die absolute Toleranz teilt Rhino mit, wann die Berechnung gut genug ist und abgeschlossen werden kann.

Ein weiterer Nachteil zu strikter absoluter Toleranzen ist, dass Rhino in diesem Fall Schnittmengen und -linien mit viel zu vielen Kontrollpunkten bildet. Diese Kontrollpunkte sind größer (Datenmenge), verrauschter (nicht so sanft) und schwerer zu bearbeiten.

Welche sind die Näherungsoperationen?

Alle Befehle, die den Schnitt zwischen Kurven und Flächen finden, fallen darunter. Einige (wenn auch nicht alle) Befehle wären: Trimmen, Teilen, Schnitt, Kontur, Schnittkurve, Parallelfläche und -kurve, Projizieren, Aufziehen von einer und 2 Leitkurven, alle booleschen Operationen, FlächenVerrunden, KanteVerrunden.

Warum also nicht einfach mit losen Toleranzen modellieren?

Der Vorteil von loseren (größeren) Toleranzen ist die Ersparnis an Zeit und Datenmenge, was andererseits zu Lasten der Modellgenauigkeit geht. Genau aus diesem Grund benötigen Sie etwas Erfahrung, um Ihre Toleranzen zu definieren. Geeignete Kompromisse müssen in jedem Fall gefunden werden.

Der Befehl Schnitt erstellt beispielsweise eine Kurve an der Schnittstelle zweier Oberflächen. Die entstehende Kurve muss nun innerhalb der absoluten Toleranz auf beiden Oberflächen liegen.

Versuchen Sie einmal, den Befehl “Schnitt” zu verwenden und speichern Sie die resultierende Kurve auf eine Seite ab. Dann fügen Sie der absoluten Toleranz eine Null hinzu und führen den Befehl erneut aus. Aktivieren Sie anschließend die Kontrollpunkte für beide Kurven. Die zweite Kontrollkurve wird mehr Kontrollpunkte haben, “schwerer” sein und sich näher an den beiden Oberflächen befinden. Ist nun eine Kurve “besser” als die andere? Dies kommt auf Ihre Ziele an. Wenn die näher beieinander stehenden Teile in Ihrem Herstellungsprozess keinen Vorteil ergeben, ist die erste, “leichtere” Kurve die bessere, da das Ergebnis in einer kleineren Datei, schnelleren Berechnungen und besser parametrisierten Oberflächen besteht.

Daher benötigen unterschiedliche Objekte und Maßstäbe komplett unterschiedliche Toleranzen. Wenn Sie beispielsweise die allgemeine Form einer Autokarrosserie entwerfen (bei der es wichtige Details in der Größenordnung von 1 mm geben mag), kann eine Dateitoleranz von 0,1 mm ausreichend sein. Für kleinere Teile desselben Autos könnten aber auch 0,01 mm nicht ausreichen und der Motorinnenraum benötigt vermutlich eine Dateitoleranz von 0.001 oder sogar 0.0001 mm im Fall der Auflageflächen.

Eine weitere Faustregel: Stellen Sie die Toleranz der Genauigkeit eine Größenordnung (1/10) kleiner ein als die beste durch Ihren Fertigungsprozess zu erreichende Toleranz, bzw. eine Größenordnung kleiner als das kleinste herstellbare Detail Ihres Prozesses, um welches Teil es sich dabei auch immer handeln mag.

Benutzerdefinierte Toleranzen und Überschreiben

Mit einigen Befehlen, wie NetzwerkFläche oder FlächeAnpassen, kann die Toleranz für die betreffende Operation individuell angepasst werden. Sie verfügen über ein Dialogfenster mit innerhalb des Befehls einzustellenden Toleranzoptionen, wobei die Standardtoleranz überschrieben wird. Mit der Option Neuanpassen können Sie ebenfalls eine eigene Toleranz für bestimmte Befehle eingeben.

Schließlich gibt es Befehle wie KantenVerbinden, bei denen die absolute Toleranz lokal überschritten werden kann, wenn Sie der Meinung sind dass dies im speziellen Fall hilfreich ist. Verwenden Sie diese mit Vorsicht!! Sie erteilen hier vorsätzlich Ihr Einverständnis mit einer Ungenauigkeit!

3: Winkeltoleranzen und relative Toleranzen in Rhino

In Rhino gibt es zwei weitere Toleranzeinstellungen: Winkel und Relativ. Die relative Toleranz kann mit einigen Befehlen verwendet werden und ist darüberhinaus kaum von Bedeutung. Die Winkeltoleranz ist wichtig, da Rhino daraus ableitet, in welchem Punkt zwei Punkte oder Flächen als tangential eingeordnet werden. Die Standardeinstellung von 1 Grad ist für feines Modellieren eher zu grob. Flächen, die 1 Grad außerhalb der Tangentialität liegen, können noch immer eine sichtbare Linie oder Falte aufweisen. Eine Einstellung von 0,1 Grad oder feiner erscheint mir sinnvoller.

4: Einfluss der Toleranzen auf das Projekt und den Workflow

In erster Linie ist es wichtig, die Toleranzen zu Beginn des Modellierungsprozesses festzulegen, da sie zwar im Nachhinein geändert werden können, ein zuvor mit einer gröberen Toleranz modelliertes Modell aber nicht durch eine feinere Einstellung derselben repariert wird. Empfehlenswert ist eine beständige Überprüfung Ihrer Arbeit, indem Sie Elemente während ihrer Erstellung verbinden. Wenn sie sich verbinden lassen, liegen Sie innerhalb der Toleranzen. Wenn nicht, müssen Sie herausfinden warum und das Problem umgehend beheben. Dadurch verhindern Sie, dass das fertige Modell Problembereiche oder Ungenauigkeiten aufweist die in einem späteren Abschnitt womöglich schwer und zeitaufwändig zu reparieren sind, einschließlich des kompletten Neuaufbaus bestimmter Bereiche.

Befehle wie Schnittmenge, Teilen oder Boolesche Operationen, die Schnittbefehle beinhalten, sind bei den Toleranzeinstellungen ebenfalls zu berücksichtigen. Oft kommt es vor, dass die Absolute Toleranz zu niedrig angesetzt ist und deswegen vollständige Schnitte nicht gefunden werden. Teilen oder Boolesche Operationen können aus diesem Grund fehlschlagen. (Toleranzen sind jedoch nicht der einzige Grund, warum diese Operationen scheitern können.) Zu enge Toleranzeinstellungen können ebenfalls Probleme bereiten. Dadurch dauern die Berechnungen nicht nur übermäßig lange, sondern es kann auch zu einem Programmabsturz von Rhino kommen. Generell sollten Sie die absolute Toleranz im Bereich zwischen 0,01 und 0,0001 einstellen. Stellen Sie sie niemals unter 1.0e-5 ein. Wenn Sie eine niedrigere Toleranz benötigen, sollten Sie stattdessen kleinere Einheiten verwenden.

5: Export in andere (nachgeordnete) Programme

Wenn Sie Objekte in eine Folgeanwendung (z.B. CAM-Software oder Solid-Modeler) exportieren möchten, muss auf die Präzision geachtet werden, die diese Programme für den erfolgreichen Import benötigen. Hierfür ist Erfahrung unverzichtbar. Im Zweifelsfall fragen Sie in der Rhino-Support-Newsgroup nach. Jemand der damit Erfahrung hat wird Ihnen sicher weiterhelfen können. Allgemein legen MCAD-Anwendungen Wert auf präzisere Objekte. Ihr gesamter Modellierungsprozess sollte von Anfang bis Ende auf demselben Präzisionsniveau stattfinden, damit Sie erfolgreich exportieren können.


de/rhino/faqtolerances.txt · Last modified: 2020/08/14 (external edit)